Emerging Church | |
Publiziert von Jesusruf |
PDF-Download Publizierung: 26.12.08 Letzte Revision: 26.12.08 |
In diesem Aufsatz wird das Wesen und die Glaubensgrundsätze der Emerging Church (Erwin R. McManus/Brian McLaren/Johannes Reimer/Tobias Faix u.a.) beschrieben.
Eine hinsichtlich des Umfangs des Themas knappe und damit überschaubare, dennoch umfassende Information über die Hintergründe dieser Bewegung aus biblischer Sicht.
„Emerging Church“
in Deutschland und der Schweiz
Die neue Verführungsströmung unter den Evangelikalen
Von Rudolf Ebertshäuser, Leonberg
Seit der letzten größeren Veröffentlichung über die "Emerging Church" im Zeitjournal (Nr. 4/2006) hat diese Bewegung auch im deutschsprachigen Raum an Einfluß gewonnen. Es fanden vieldiskutierte Tagungen mit dem führenden Sprecher der EMC Brian McLaren in Hamburg und Marburg statt, Sprecher des deutschen Zweiges traten auf dem Christival auf, und durch vielbeachtete "Experten" wie Prof. Johannes Reimer1 (Bibelschule Wiedenest) und Tobias Faix wird das Gedankengut dieser Strömung im evangelikalen Raum ausgebreitet. Von evangelikaler Seite ist dagegen nicht viel Aufklärungsarbeit geschehen, und die Abgrenzung gegen die gefährlichen Irrlehren dieser Bewegung fällt vielfach nur halbherzig aus. So wird heute leider vielfach ein geschöntes, verharmlosendes Bild dieser verführerischen Gruppierung verbreitet, die es darauf anlegt, engagierte jüngere Mitarbeiter evangelikaler Gemeinden vom biblischen Glauben abzuziehen. Der Verfasser dieser Zeilen hat sich in den zurückliegenden Monaten intensiv mit der Emerging Church beschäftigt und darüber ein aufklärendes Buch verfaßt:
"Aufbruch in ein neues Christsein? Emerging Church - Der Irrweg der postmodernen Evangelikalen"
(Steffisburg: CLKV 2008; Taschenbuch, 254 S.; Preis € 6.20; darin alle Quellenbelege).
Darin werden die bibelkritischen Irrlehren der Emerging Church, ihre Verfälschung des biblischen Evangeliums und ihre radikale Verweltlichung der Kirche gründlich untersucht und von der Bibel her widerlegt. Zugleich bietet dieses Buch den derzeit einzigen kritischen Überblick über die deutschsprachige Szene der EMC und umfangreiche Besprechungen zentraler Bücher aus dieser Strömung. Der folgende Artikel ist ein vom Verfasser erstellter, bearbeiteter Auszug aus diesem Buch.
1. Eine neue Strömung breitet sich aus
Aus der modernen „Gemeindewachstumsbewegung“, die vor allem durch „Willow Creek“ und „Leben mit Vision“ bekannt wurde, hat sich eine neue Strömung entwickelt, die besonders jüngere Christen auch im deutschsprachigen Raum anspricht und eine radikale Veränderung bzw. „Neuerfindung“ des christlichen Gemeindelebens anstrebt: die sog. Emerging Church (engl. imördsching tschörtsch ausgesprochen; bedeutet: „die neu aufkommende Kirche“).
Diese Strömung versteht sich als Vorhut der „auftauchenden“ oder „sich neu herausbildenden“ (engl. emerging) Kirche des 21. Jahrhunderts. Sie wird hauptsächlich getragen von jüngeren Leuten Mitte zwanzig bis Anfang vierzig, die zumeist aus einem evangelikal- charismatischen Hintergrund kommen und oftmals intellektuell angehaucht sind. Viele sind Absolventen von theologischen Seminaren und in neuen, der „postmodernen Zeit“ angepaßten Gemeindeaktivitäten engagiert.
Diese neue Bewegung ist sehr vielfältig, schillernd und ohne feste Organisationsformen, und doch hat sie einige Grundmerkmale, die allen oder fast allen Unterströmungen gemeinsam sind. Sie will die herkömmlichen Lehren und Gemeindeformen des 20. Jahrhunderts überwinden, die in ihren Augen zum „Zeitalter der Moderne“ gehören. Sie beansprucht, Kirche für die neue Generation der „postmodernen“ Menschen zu sein, d. h. derjenigen, die die Denk- und Lebensweise der Moderne hinter sich gelassen haben. Sie wollen „eine neue Art von Christsein“ leben, das sich von dem herkömmlichen radikal unterscheidet. Als Ableger der „evangelikalen“ Bewegung strebt sie einen „dritten Weg“ zwischen konservativen Evangelikalen und klassischen Liberalen an.
Die Anhänger der „Emerging Church“ suchen in Abgrenzung zum „modernen“ Christentum nach einer „alten“, „ursprünglichen“, „aufs Wesentliche zurückgeführten“ Spiritualität, aber ohne die Bindung an die Bibel landen sie nur bei Anleihen an die katholische heidnische Falschreligion oder an die heidnische Spiritualität des New Age.
Die postmodernen „Jesus-Nachfolger“ reden noch von „Glauben“, von „Leidenschaft für Jesus“, von Opfer und brennendem Einsatz für „das Evangelium“ – aber sie haben die Grundlage des echten, biblischen Christentums bewußt verlassen, sie haben dem ein für allemal den Heiligen überlieferten Glauben (Jud 3) abgesagt. Sie basteln sich einen falschen „Jesus“ aus den Evangelien zurecht, verwerfen aber das Wort des erhöhten Herrn in der Lehre der Apostel.
Ihre Abneigung gegen jede Art von Lehre überdeckt die Tatsache, daß sie die gesunde Lehre und das wahre apostolische Evangelium verlassen haben. Die „mutigeren“ unter ihnen haben bereits die Lehre des stellvertretenden Sühnopfers Jesu Christi, des erlösenden Blutes, der realen Hölle und ewigen Verdammnis für alle Ungläubigen offen verworfen; andere, wie McManus, die noch unter konservativen Evangelikalen wirken wollen, begnügen sich mit in Frage stellenden Bemerkungen. Weit verbreitet ist die Irrlehre, daß auch Angehörige anderer Religionen ohne Glauben an Jesus Christus gerettet werden könnten (so hat es neuerdings auch Billy Graham geäußert). Manche Sprecher der „Emerging Church“, wie z. B. Brian McLaren, halten verschiedene Wege zu Gott für legitim.
Eine Gemeinsamkeit der „Emerging- Church“-Leute besteht darin, daß sie eine konsequente Anpassung an die Kultur und Denkweise ihrer postmodernen Zielgruppe für wichtig halten. Das bedeutet Übernahme der weltlichen, gottlosen Pop- und Rockkultur, Einsatz von Videos, Tanz, Theater, moderner Kunst … Sie sind stark auf „Erfahrung“ und „Erlebnis“ ausgerichtet und meinen, Fernstehende vor allem durch das Erlebnis „authentischer Gemeinschaft“ erreichen zu können.
Sie sind meist stark mystisch orientiert, d. h. sie suchen eine heidnisch geprägte religiöse Erfahrung der „Gegenwart Gottes“, die u. a. in Meditation und Stille erfahrbar sei. Sie greift in ihrer Praxis viele verführerische katholische Praktiken auf, so z. B. die Benutzung von Weihrauch, Kerzen und Bildern in den „Gottesdiensten“, bis hin zur Meditation und „Anbetung“ vor Ikonen. Es ist durchaus folgerichtig, daß diese Strömung offen ökumenisch ist und die Vermischung verschiedener christlicher und teilweise auch nichtchristlicher religiöser Ansätze befürwortet.
2. Die Emerging Church als „postmoderne Kirche“ und das Gedankengut der weltlichen Postmoderne
Die Emerging-Church-Bewegung versteht sich als Vorhut der postmodernen Kirche oder Gemeinde des 21. Jahrhunderts. Ihre Anhänger haben sich das Ziel gesetzt, die „postmodernen“ Menschen, insbesondere die Generation der 16-30jährigen, anzusprechen.
Das ist an sich ein lobenswertes Ziel; das Gefährliche dabei ist, daß sie selbst von der postmodernen weltlichen Philosophie und Lebenshaltung geprägt sind, die ihr Lebensgefühl widerspiegelt – das Lebensgefühl von skeptischen jungen Menschen aus christlichen Elternhäusern, die selbst nie eine radikale Lebenswende und Wiedergeburt aus dem Heiligen Geist erlebt haben. Ihnen erscheint es so, als brächten die biblischen Lehren, der biblische Weg der Heiligung und Kreuzesnachfolge unerträgliche Enge und dogmatische Erstarrung mit sich; sie sind oberflächlich christianisierte Heiden, und daher fühlen sie sich zu der skeptischen, zweifelnden heidnischen Philosophie dieser Endzeit mehr hingezogen als zu der gesunden Lehre der Heiligen Schrift.
Was kennzeichnet das Denken der nachmodernen weltlichen Philosophen und Intellektuellen? Darüber sind dicke Bücher geschrieben worden; wir können hier nur einige Grundzüge dieser Strömung skizzieren. Die Postmoderne versteht sich als eine kritische Überwindung der „Moderne“. Darunter wird vor allem eine Denkweise verstanden, die von Vernunft- und Wissenschaftsgläubigkeit geprägt wurde, von der Überzeugung, der Mensch könne alles mit seinem Verstand erkennen und auf allen Gebieten zu objektiven Feststellungen der Wahrheit kommen und so auch einen unbegrenzten Fortschritt des Wissens und der Zivilisation erreichen. Dieses Denken ist vor allem von der Aufklärung des 18. Jh. geformt worden und war bis in die zweite Hälfte des 20. Jh. hinein die vorherrschende Sicht der westlichen Intellektuellen. Es ist aus biblisch-geistlicher Sicht eine anmaßende Selbstüberschätzung der Menschenweisheit.
Doch was setzt dem das Denken der „Postmoderne“ entgegen? Den methodischen Zweifel, die systematische Leugnung jeglicher objektiv feststehenden und absoluten Wahrheit. In verschiedenen Schattierungen behaupten die Vordenker der Postmoderne, der Mensch sei so geprägt von seinen kulturellen Werten und Begrenzungen, daß jede Sicht der Wirklichkeit immer nur relativ sein müsse und keine objektiv feststellbare Wahrheit gefunden werden könne. Alles menschliche Denken entwickle sich in Form von „Geschichten“ bzw. „Erzählungen“ (stories/narratives), die alle subjektiv seien und immer auf ihre Begrenztheiten hinterfragt werden müßten. So zeigt sich postmodernes Denken u. a. in folgenden Merkmalen:
- Kritik am Denken der „Moderne“ und seiner Vernunft- und Wissenschaftsgläubigkeit;
- Öffnung für intellektuellen Zweifel, das Irrationale, Gefühle, Bilder, Symbolik, das Übernatürliche;
- Ablehnung aller absoluten Wahrheiten und „dogmatischen“ Lehraussagen (meta-narratives);
- Zweifel an der Fähigkeit der menschlichen Vernunft, Dinge zuverlässig zu erkennen;
- hinterfragendes Auflösen aller „modernen“ Aussagen von Wahrheit („Dekonstruktion“ / deconstruction) und ihre Umdeutung in einem veränderten, nur noch relativen Bezugs- und Deutungsrahmen („Rekonstruktion“ / reconstruction; „Wiedererfinden“ / „reinventing“; „reimagining“);
- Gespräch, offener Dialog und Erzählen von bedeutungsvollen Geschichten anstatt lehrhafter Vermittlung und Festsetzung von bestimmten Grundsätzen, Überzeugungen usw.;
- Betonung der Erfahrung, des Gefühls, des Erlebnisses und der mystischen Eingebung gegenüber Lehre und Verstand;
- Betonung des ehrlichen Sich-Selbst- Seins und des „authentischen“ (echten) Lebens gegenüber Normen und Geboten; existentialistische Lebenshaltung.
Das sind Denkweisen, Werte und Grundsätze, die zutiefst heidnisch sind und ihre Wurzeln in der griechischen Philosophie und in den antiken heidnischen Religionen haben. Sie leugnen, daß der Mensch durch Gottes Gnade sehr wohl objektive Wahrheit erkennen kann, und gehen zurück zu dem vernebelten mythischen Denken der Götzenreligionen. Sie sind keineswegs etwas Neues unter der Sonne; sie waren im 20. Jahrhundert bereits von Existentialisten, Hippies und New-Age- Anhängern propagiert worden.
Daß das nachchristliche Neuheidentum einen solchen Relativismus immer anziehender findet, hat nicht nur etwas mit dem offenkundiger werdenden Bankrott der weltlichen „Vernunftreligion“, des Rationalismus mit seiner naiven Wissenschaftsgläubigkeit, zu tun. Aus historischer Sicht kann der Skeptizismus der Postmoderne einfach als Verfalls- und Auflösungserscheinung einer im Niedergang befindlichen Zivilisation gedeutet werden.
Aber das allein wäre zu kurz gegriffen. Geistlich gesehen muß der Umstand bedacht werden, daß die Weltgeschichte mit immer rascheren Schritten auf das Kommen des Antichristen zugelenkt wird. Dieser Höhepunkt der widergöttlichen Entfaltung der Welt wird nach der Bibel begleitet von betrügerischen Prophetien und Wunderzeichen, von einer beispiellosen Welle des Okkultismus und Mystizismus, von der Abwertung jeglicher Wahrheit und zugleich von der Vorherrschaft der Lüge und des Vaters der Lüge:
„Denn das Geheimnis der Gesetzlosigkeit ist schon am Wirken, nur muß der, welcher jetzt zurückhält, erst aus dem Weg sein; und dann wird der Gesetzlose geoffenbart werden, den der Herr verzehren wird durch den Hauch seines Mundes, und den er durch die Erscheinung seiner Wiederkunft beseitigen wird, ihn, dessen Kommen aufgrund der Wirkung des Satans erfolgt, unter Entfaltung aller betrügerischen Kräfte, Zeichen und Wunder und aller Verführung der Ungerechtigkeit bei denen, die verlorengehen, weil sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, durch die sie hätten gerettet werden können. Darum wird ihnen Gott eine wirksame Kraft der Verführung senden, so daß sie der Lüge glauben, damit alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht geglaubt haben, sondern Wohlgefallen hatten an der Ungerechtigkeit.“ (2Th 2,7-12)
Für den Eintritt in dieses Neue Zeitalter (New Age) des Antichristen bereitet der Gott und Fürst dieser Welt seine Anhänger vor, indem er sie zunehmend öffnet für Mystik, falsche Propheten und falsche Wunderzeichen. Die Religion und das Denken in der antichristlichen Endzeit müssen, wenn man die Bibel daraufhin studiert, offen sein für mystische Geistererfahrungen, Wunder und falsche „Botschaften von Gott“.
In diesem Sinn ist auch die Wende zur „Postmoderne“ geistlich gelenkt von dem „Fürsten, der in der Luft herrscht, dem Geist, der jetzt in den Söhnen des Ungehorsams wirkt“ (Eph 2,2). Die Preisgabe der Vernunft und der schrankenlose Relativismus bereiten das geistige Klima für den Gesetzlosen vor, der die Wahrheit in Lüge verkehrt und alle von Gott gegebenen Werte und Normen umstürzt und Zügellosigkeit, Ausschweifung und Verderbtheit zur Norm machen wird (2Th 2,3-7; 2Pt 2,10-22; Jud 4-19).
Es gibt noch einen anderen Gesichtspunkt, der für das Auftreten des postmodernen Denkens in der Endzeit geistlich bedeutsam ist: Wenn alle Wahrheit relativ ist, dann gibt es auch viele verschiedene Wege, die alle gleichberechtigt zu „Gott“ (sprich: zu dem „Gott“ dieser Welt) führen. Keine Religion, keine „Meta-Erzählung“ kann nach dieser weltlichen Ideologie beanspruchen, die volle und alleinige Wahrheit zu haben. Das führt dazu, daß der Anspruch der Bibel, das von Gott geoffenbarte Wort der Wahrheit zu sein, konsequent verworfen wird, ebenso der Anspruch unseres Herrn Jesus Christus: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater als nur durch mich!“ (Joh 14,6).
Das Denken der Postmoderne ist also, geistlich gesehen, eine radikal antichristliche Rebellion gegen Gottes Wahrheit. Es ist antichristlich auch in dem Sinn, daß es die vom Satan vorangetriebene Einheit aller Weltreligionen fördert und ihr einen philosophischen Unterbau gibt. Die Postmoderne führt auf religiösem Gebiet logischerweise zur Gleichberechtigung aller religiösen Überzeugungen und darüber hinaus zur religiösen Einheit aufgrund einer gefälschten mystischen „Gotteserfahrung“. Damit ist die Verbindung mit den verschiedenen New- Age-Lehren und die Zielrichtung auf die Welteinheitsreligion der Hure Babylon vorgegeben. Angesichts dieser Umstände ist es alarmierend, wenn Leute, die sich als „evangelikale Christen“ bezeichnen, das antichristliche, dem New Age verwandte weltliche Denken der Postmoderne zumindest in wichtigen Grundzügen übernehmen und in ihr „christliches“ Lehrgebäude einbauen. Sie tun dies nach ihrem Bekenntnis in der Absicht, dadurch den „postmodernen Menschen“ angemessen anzusprechen, aber sie sind dafür blind, daß diese „missionarische Anpassung“ nur möglich ist, indem das Fundament, der Kern des christlichen Glaubens preisgegeben wird. Wie aktuell ist die Warnung der Bibel, sich nicht auf die irreführenden Philosophien dieser Welt einzulassen: „Habt acht, daß euch niemand beraubt durch die Philosophie und leeren Betrug, gemäß der Überlieferung der Menschen, gemäß den Grundsätzen der Welt und nicht Christus gemäß“ (Kol 2,8)!
Der wahre, echte Glaube an Christus braucht keine „Neuerfindung“ oder Anpassung an die Wandlungen des Zeitgeistes. Er steht in klarem Gegensatz zum vernunftgläubigen Denken der Moderne wie auch zum relativierenden Denken der Postmoderne. Er findet seine unveränderliche Grundlage in der geoffenbarten Wahrheit der Heiligen Schrift, dem „lebendigen Wort Gottes, das in Ewigkeit bleibt“ (1Pt 1,23). Der ewige Gott läßt sowohl den „modernen“ als auch den „postmodernen“ (wie auch zuvor schon den „prämodernen“) Menschen dieselbe Botschaft verkündigen: Jesus Christus, für uns gekreuzigt und auferweckt und verherrlicht zur Rechten Gottes.
Die Argumente, mit der die wahren Gläubigen ihren Zeitgenossen dieses Evangelium erklären, sollten selbstverständlich auf deren Denkweise eingehen, doch die Botschaft selbst ist ewig unveränderlich. Sie war immer schon für den natürlichen Menschen eine Torheit und ein Ärgernis (1Kor 1,18-31), und das gilt natürlich auch für die Menschen der Endzeit (2Tim 3,1-5) – aber sie ist immer noch für die, die Gott berufen hat, Gottes Kraft zur Errettung (1Kor 1,18-24). So kann die „Postmoderne“ für echte Christen niemals ein Vorwand dafür sein, die Grundlagen des Evangeliums oder der Gemeinde zu verändern.
3. Die neuen Lehren der Emerging-Church-Bewegung
Die Emerging Church beansprucht, einen „dritten Weg“ jenseits von konservativem Evangelikalismus und klassischem Liberalismus zu suchen; letztlich läuft das aber auf eine zeitgemäßere Spielart des Liberalismus hinaus.
Das Grundübel liegt in der Haltung zur Wahrheit der Heiligen Schrift: In der Emerging Church wird eine massive Relativierung und Verfälschung der Wahrheit der Bibel gelehrt, die nur noch als eine große „Erzählung“ angesehen wird, nicht mehr als absolut wahres, feststehendes Offenbarungswort Gottes. Diese Verwerfung der Bibel als verbindliche Offenbarung Gottes wird unter dem Deckmantel der (liberal-bibelkritischen) „narrativen Theologie“ betrieben.
Die Emerging Church ist entscheidend geprägt von liberalen und neoorthodoxen Irrlehrern. Dazu gehören Karl Barth und Jürgen Moltmann, zeitgenössische bibelkritische Theologen wie Norman T. Wright (anglikanischer Bischof von Durham) und Walter Brueggemann, sowie „postmoderne“ Theologen wie Stanley Grenz, John Franke, Robert Webber und Leonard Sweet.
Die Emerging Church baut ihre Lehren vom „gegenwärtigen Reich Gottes“ auf eine Umdeutung der Evangelien, die nicht mehr im Licht der Apostellehre gedeutet werden. Ihr „Evangelium“ ist nicht das von Paulus verkündigte Evangelium der Gnade, sondern ein verfälschtes „Evangelium vom Reich“, nachdem das „Reich Gottes“ jetzt schon gegenwärtig sei und auch Ungläubige und Angehörige anderer Religionen mit umfasse. Die biblische Lehre von der Sündenverderbnis des Menschen und vom stellvertretenden Sühnopfer wird verfälscht und eine Errettung von Menschen unabhängig von deren Umkehr und Glaube gelehrt. Unbekehrte seien schon in die Errettung einbezogen (Inklusivismus) und werden daher auch in die „Glaubensgemeinschaften“ (communities of faith) der Emerging Church mit aufgenommen.
Die meisten Sprecher der Emerging Church sehen ihr Ziel nicht darin, Menschen zur Bekehrung und zur ewigen Errettung zu rufen, sondern zu einem „Leben für Gott im Reich Gottes hier und jetzt“. Das umfaßt für sie auch das Eintreten für soziale Gerechtigkeit und die Armen und Randgruppen, für Umweltschutz und gegen alle Arten von Kolonialismus, für Feminismus, Homosexuelle und Immigranten. Dabei sind linksliberale Autoren wie Tony Campolo, Ron Sider, Jim Wallis und Howard Yoder prägend; letztlich wird damit nur das liberaltheologische „soziale Evangelium“ neu aufgewärmt. Viele Emerging-Church-Gruppen engagieren sich in Sozialprojekten in den Städten, in denen sie leben, wobei sie z. T. auch für enge Zusammenarbeit und Verschmelzung mit weltlichen Organisationen offen sind und eine Evangeliumsverkündigung meiden. Sie wollen bewußt Teil der weltlichen Gemeinschaft sein und ihr dienen.
Damit verbunden ist eine Ausrichtung auf die weltliche Kultur und ein völlig verfälschtes Missionsverständnis, das von den liberal-ökumenischen Theologen Lesslie Newbigin und David Bosch übernommen wurde. Die Emerging Church spricht viel von „missionaler Gemeinde“ und „missionalem Leben“; dahinter steckt der Verzicht auf die biblisch gebotene Verkündigung des Evangeliums zugunsten eines der Welt dienenden Lebensstils. Man will einseitig durch ein „Vorleben“ und sozial nützliches Helfen und Beseitigen gesellschaftlicher Mißstände die Menschen gewinnen, obwohl die Bibel klar lehrt, daß wir das Wort des Evangeliums verkündigen müssen, damit Menschen zum Glauben kommen können (Röm 10,13-17).
Die allermeisten Führer der Emerging Church sind durch die verführerische Schule der Charismatischen Bewegung gegangen und wurden mit dem falschen Geist dieser Bewegung „getauft“; viele waren zuvor in Berührung mit John Wimber, „Vineyard“ und dem „Toronto-Segen“ gewesen, und charismatische Irrlehren und Praktiken finden sich auch in der Emerging Church wieder. Eine wichtige Vorläuferbewegung für die heutige postmoderne Szene war ohne Zweifel die Jesus-People-Bewegung in Amerika in den 70er Jahren des 20. Jh. (Jesus movement), deren verführerische und zersetzende Einflüsse über Wimber und die Vineyard-Bewegung ziemlich direkt in die Emerging Church münden. Zwar bezeichnen sich die allermeisten Führer als „postcharismatisch“ und lehnen manche Praktiken und Lehren charismatischer Gemeinden ab, aber sie haben sich weder von der falschen „Geistestaufe“ noch von den falschen Gaben dieser Bewegung getrennt. Der unterschwellige Einfluß des charismatischen Verführungsgeistes ist vielfältig zu sehen.
Ein ganz entscheidender Einfluß geht von der katholischen Mystik aus. Man folgt hier den Tendenzen postmoderner weltlicher „Spiritualität“, die das Mystische und Geheimnisvolle, die Erfahrung des (angeblich) Göttlichen, das Ritual, die Bilder und Symbole sucht. So wird als Ersatz für das biblisch gesunde Leben des Glaubens, der Nachfolge und Hingabe an Christus eine letztlich heidnische „Spiritualität“ angeboten, die aus den vergifteten Quellen des Mönchtums und der mittelalterlichen Kirche schöpft. Hier werden die auch im allgemeinen Evangelikalismus verbreiteten Einflüsse der „neuen Spiritualität“ wirksam. Diese Strömung, die eindeutige Bezüge zum New Age und der heidnischen Mystik hat, geht u. a. auf die Irrlehren des Mönches „Bruder Laurentius/Lorenz“ sowie auf Thomas Merton zurück, einen katholischen Mönch, der Zen- Meditation studierte und sich ebenso als Buddhist wie als Christ sah. Nach ihm hat besonders der katholische Mystiker Henri Nouwen großen Einfluß bei Evangelikalen gehabt, ebenso der Mystiker und Quäker Richard Foster mit seiner Renovare-Bewegung sowie der Philosoph Dallas Willard.
Ein ebenfalls prägender Einfluß kommt von den Schriften von C. S. Lewis, die immer wieder zitiert werden. Die ökumenische, religionsvermischende Haltung von Lewis, seine unklare Haltung zur Bibel, zu Buße, Bekehrung und dem Sühnopfer Christi kommt der Einstellung der postmodernen Christen sehr entgegen. Aber auch katholische Theologen und Denker wie Küng, Chesterton, Guardini werden immer wieder angeführt.
Ein weiterer Grundzug der Emerging Church ist die radikale Verweltlichung. Man redet davon, daß die „moderne Aufspaltung in Heiliges und Säkulares überwunden werden“ müsse und beteuert laut: „Alles ist heilig!“ Man verkündet, daß die Kirche im Dialog mit der weltlichen Kultur stehen müsse und sich von dieser Kultur nicht abspalten dürfe, wenn sie „relevant“ bleiben wolle. Was aber in der Praxis geschieht, ist die hemmungslose Einführung unheiliger Weltelemente in das Leben der verfälschten „Kirche“.
Besonders gilt das auf dem Gebiet der Musik, wo alle möglichen neuen Spielarten der dämonischen Rock- und Popmusik (Techno, Hiphop, Rap) in die „Gottesdienste“ eingebaut werden, oft ohne Band, sondern nach Disco-Art durch „DJs“ (Disc-Jockeys) elektronisch gemixt und aufbereitet. Aber auch Filme und Videoclips, die weltliche oder pseudospirituelle darstellende Kunst, Gedichte auch ungläubiger „Künstler“ werden mit einbezogen. Viele Anhänger „emergenter Gemeinschaften“ führen ein völlig weltförmiges Leben mit dämonischer Pop- und Rockmusik, ungläubigen Freunden, mit Alkohol und z. T. auch Drogen und vorehelichem Zusammenleben.
Das wird gerechtfertigt damit, daß die Gemeinde „inkarnatorisch“ leben und sich mit der umgebenden Welt eng verbinden müsse. Ganz praktisch streben die größtenteils unbekehrten Anhänger dieser Strömung danach, „authentisch“ ihr sündiges, weltförmiges Leben weiterleben zu können und keinen „künstlichen Gegensatz“ zwischen ihrem Disco-Alltag und dem Gemeindeleben aushalten zu müssen. Auch in Gemeindeveranstaltungen wird z. T. Alkohol ausgeschenkt und geraucht; ja, manche besonders „inkarnatorischen“ Gemeinden treffen sich bewußt in Bars und Nachtclubs zu ihren verkehrten „Gottesdiensten“.
Ungläubige werden aufgefordert, bei den „Aktionen“ und der „Anbetung“ dieser Gemeinschaften mitzumachen und Gott auch das zu bringen, was sie gerne möchten. Man will Ungläubige bewußt in die Gemeinschaft aufnehmen und erwartet, daß sie durch die Erfahrung des gemeinsamen Lebens allmählich zu „Jüngern“ bzw. „Nachfolgern von Jesus“ werden; so lauten die Begriffe in der Emerging Church, wo man den biblischen Begriff „Gläubige“ auffallend vermeidet.
Ein wichtiges Element der neuen Kirchenbewegung kommt schon in ihrem Namen zum Ausdruck: Die meisten ihrer Sprecher stützen sich bei ihrer Strategie auf die weltliche Systemtheorie und Emergenzlehre, die eine geheimnisvolle Höherentwicklung komplexer Systeme unter bestimmten Bedingungen behauptet. Diese Lehre ist pseudowissenschaftlich und steht in enger Verbindung mit dem Denken der New-Age-Bewegung, des Taoismus und der buddhistischen und hinduistischen Mystik. Sie setzt das antigöttliche Weltbild der Evolutionslehre voraus, zu der sich auch viele Emerging- Church-Sprecher offen bekennen. In völlig unbiblischer Weise sehen sie die Gemeinde als ein selbstorganisierendes spontanes System, das sich unter den neuen Umweltbedingungen (Postmoderne, „neues Zeitalter“) in einem kritischen Zustand befinde und auf einen evolutionären „Sprung“ zusteuere, auf die Emergenz einer neuen, höheren Stufe von Kirche. Diese Lehre ist, wie wir im nächsten Abschnitt noch zeigen werden, das Einfallstor für antichristliches, esoterisches Gedankengut.
In ihrer Gemeindestruktur geht die Emerging Church größtenteils Wege, die den Megagemeinden à la Willow Creek direkt entgegengesetzt sind. Es gibt zwar in den USA auch einige große Gemeinden mit Pastoren, aber überwiegend sind die Gemeinschaften sehr dezentral, oft ohne Pastor; man zieht organische Kleingruppen vor, die sich je nach Bedürfnis treffen, manche mehrmals wöchentlich, andere nur einmal im Monat. Zahlenmäßiges Wachstum wird nicht unbedingt angestrebt. Diese Betonung der Kleingruppen entspricht den New-Age-Lehren, wie man eine „Transformation“ in ein „neues Paradigma“ am besten zustande bringt. Dasselbe gilt für das neue Konzept von Leitern, die betont unautoritär aus dem Hintergrund führen sollen und als dienende Helfer („servant leaders“) auftreten, die den anderen „Lernprozesse ermöglichen“ („facilitators“) und sie „befähigen“ sollen („empowering“).
Lehre und Verkündigung werden in vielen Gruppen sehr klein geschrieben, an die Stelle der Verkündigung treten oft der Austausch oder Zeugnisse. Manche solche Gruppen haben einmal in der Woche oder im Monat ein gemeinsames größeres Treffen. Oberflächlich betrachtet klingen manche Aussagen der Emerging-Church- Sprecher über Gemeindestruktur biblischer als die Modelle der Megagemeinden – aber im Grunde sind sie weit von biblischer Gemeinde entfernt, weil sie wesentliche Elemente mißachten, so die Gemeindezucht und Absonderung von Ungläubigen, die zentrale Rolle von Lehre und Wortverkündigung, und die biblische Aufseherschaft durch Älteste. Dagegen gewinnen unbiblische Strukturen wie klosterähnliche Lebensgemeinschaften an Anziehungskraft.
4. Die Emerging-Church- Strömung im deutschsprachigen Raum
Auch im deutschsprachigen Raum gab es schon vor mehreren Jahren Ansätze zu alternativen „postmodernen“ Gemeinschaften im Sinne der Emerging Church. Es ist schwierig, diese Ansätze richtig zu beschreiben, weil darüber noch wenig zugängliches Material von Beteiligten oder gar Studien von Außenstehenden existiert.
Die „Jesus Freaks“
Eine besondere Rolle spielen sicherlich die „Jesus Freaks“, die 1991 von Martin Dreyer gegründet wurden und bei denen Elemente der Emerging- Church-Bewegung deutlich erkennbar sind. Dreyer selbst kommt aus der „evangelikal-charismatischen“ Anskar- Kirche in Hamburg, wo er nach einer Ausbildung 1993 zum Pastor ordiniert wurde.
Charakteristisch für die „Jesus Freaks“ ist die ungebrochene Einbeziehung der unreinen und sündigen weltlichen „Jugendkultur“, der weltlichen Rockmusik und des dazugehörigen „ausgeflippten“ Lebensstils in ihr verbogenes Verständnis von „Christsein“, das sich deutlich an der „Jesus People“- Hippiebewegung nach 1967 orientiert. Dazu gehört z. B. auch, daß Abendmahlsliturgien „gerappt“ werden (ein dämonisierter, getrieben-unnatürlicher Sprechgesang) oder daß „Trash- Metal-Lobpreislieder“ gesungen werden. Die gotteslästerliche Sprache der „Freaks“ und ihr übler Umgang mit dem Namen des Herrn der Herren sind weithin bekannt geworden durch die berüchtigte „Volxbibel“, die vor allem von Martin Dreyer verantwortet wird. Unter diesen irregeführten jungen Leuten wirkt ein Geist der Finsternis, der sich in Lichtsgestalt verstellt. Den Einfluß dieser inzwischen international auftretenden Bewegung zeigt das jährliche „Freakstock“-Festival, das mit über 8.000 Besuchern zu den größten „christlichen“ Festivals in Europa zählt. Es soll schon um die 100 Freaks- Gemeinschaften im deutschsprachigen Raum geben. Einige Beteiligte der neu formierten Emerging-Church-Bewegung in Deutschland kommen von den „Jesus Freaks“.
Die Emerging Church gewinnt an Einfluß
Andere Ansätze, die sich zumindest für die Emerging Church öffnen bzw. ihr nahestehen, sind in den Büchern von David Schäfer (Die jungen Wilden) und Faix/Weißenborn (ZeitGeist) beschrieben: teils landeskirchliche und freikirchliche „Jugendkirchen“, teils kommunitär lebende Gruppen wie die „Convers“-Gemeinschaft in Dresden. Die Kubik-Gemeinschaft in Karlsruhe (Daniel Ehniß; Mark Reichmann) entspricht ziemlich genau dem Emerging- Church-Konzept, und es gibt sicherlich schon manche anderen Ansätze, die in diese Richtung gehen (z. B. EPIC Münster, Stefan Lingott). Dazu gehören (den Beiträgen in „ZeitGeist“ und anderen Quellen nach zu schließen) auch die Jugendarbeit des „Christus- Treffs“ Marburg, Projekte im CVJM Essen (e/motion; Christa Brudereck), gewisse Hausgemeinden, Hauszellengemeinden (etwa die Zellgemeinde Bremen; Pastor Jens Stangenberg; Tobias Künkel) oder „organische Gemeinden“.
Zum weiteren Kreis der Emerging Church können sicherlich auch Gemeinden wie Kraftwerk Dresden (Dierk Müller, Karsten Wolff) oder die (landeskirchliche) Elia-Gemeinschaft in Erlangen (Peter Aschoff) und die FeG Rebland (Detlef Kühlein) gerechnet werden. „Emergentes Gedankengut“ wird auch von der Akademie für Leiterschaft Ditzingen (Werkstatt für Gemeindeaufbau) im Internet verbreitet. Verwandte Lehren werden z. B. von DAWN Europe und vom Institut für Gemeindebau und Weltmission vertreten.
Ein einflußreicher Befürworter der Emerging Church ist der Missionswissenschaftler Prof. Johannes Reimer1(Bibelschule Wiedenest), der selbst eine Gemeinde nach dem Vorbild der Emerging Church gegründet hat (Evangelische Freie Gemeinde Bruchermühle) und durch Vorträge diese Lehren verbreitet. Tobias Faix, Dozent am Marburger Bibelseminar, gehört ebenfalls zu den bekannten Befürwortern der Emerging Church. Der Theologe Fabian Vogt hat einige Grundlehren dieser Bewegung in Anlehnung an Kester Brewins Buch "Der Jesus- Faktor" bekannt gemacht. Bekannte Sprecher der Emerging Church wurden und werden in der auch sonst für die Verbreitung von Irrlehren (neue Spiritualität) bekannten Zeitschrift „aufatmen“ des Redakteurs und Pastors Ulrich Eggers vorgestellt. Ein Forum für die deutsche Emerging Church-Bewegung ist Emergent Deutschland.
Bücher mit Lehren der Emerging Church erschienen vor allem in dem aus der Gemeindewachstumsbewegung bekannten C&P Verlag Emmelsbüll (teilweise in Kooperation mit Gerth Medien Asslar), aber auch in angesehenen evangelikalen Verlagen wie Brunnen (Rob Bell) und Brockhaus (David Schäfer). Im Herbst 2007 wurden Brian McLaren und Jason Clark nach Deutschland eingeladen und konnten dort das verführerische Gedankengut der Emerging Church auf zwei Tagungen ausbreiten.
Es ist bezeichnend, daß die Tagungen nicht nur von Emergent Deutschland veranstaltet wurden, sondern auch von der „Koalition für Evangelisation“, einer evangelikalen Organisation, der führende Vertreter der deutschen Evangelikalen angehören. Außerdem wurde die Tagung in Hamburg von der Charismatischen Gemeindeerneuerung in der Evangelischen Kirche und dem Institut zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung der Universität Greifswald (Prof. Michael Herbst) mit ausgerichtet; die Tagung in Marburg trugen das Theologische Seminar Tabor und das Marburger Bibelseminar mit.
„ZeitGeist“: Eine Selbstdarstellung der deutschen Emerging Church
Die erste größere deutschsprachige Buchveröffentlichung aus den Reihen der Emerging-Church-Strömung ist das Buch ZeitGeist, herausgegeben von den beiden Marburger Theologen Tobias Faix und Thomas Weißenborn (Marburg [Francke] 2007). Dort werden manche „emergente“ Gemeindeinitiativen vorgestellt und die verführerischen „postmodernen“ Denkmuster vertreten.
Das tritt z. B. bei Tobias Faix hervor, wenn er die Bedeutung der biblischen Lehre relativiert und für „gegenseitige Toleranz“ plädiert, sowohl im „interreligiösen Dialog“ als auch unter Christen, im Dialog „der verschiedenen Meinungen und Gottesvorstellungen“ (78). Tobias Künkler empfiehlt die Einführung postmoderner Denkweisen in die Gemeinde, die letztlich dem New Age entsprechen: Er redet von ganzheitlichem und systemischem Denken; man soll „in Netzwerken“ denken, „organisch und vernetzt“; man erprobt „nicht-lineares, zirkuläres und systemisches Denken“. Er plädiert für „die Wiederentdeckung des Symbolischen und des Geheimnisvollen (…) (z. B. des kosmischen Christus)“ (22) – der „kosmische Christus“ ist aber eine antichristliche New-Age-Gestalt, die u. a. von Matthew Fox propagiert wird.
Ganz ähnlich sieht Christina Brudereck in der postmodernen Suche ungläubiger Menschen nach nichtchristlicher „Spiritualität“ etwas Positives, womöglich von Gott Gegebenes und fragt: „(…) was wäre eigentlich, wenn wir annehmen würden, daß auch der Zeitgeist weht, wie Gott will? (…) Was wäre, wenn das, was manche für einen spleenigen, ‚esomäßigen’ [d. h. esoterischen, RE] Vogel halten, der Heilige Geist wäre? Und die spirituellen Zeichen Vorboten einer Verwandlung? Einer Gottesbewegung?“ (30). Das sind, biblisch-geistlich gesehen, Vorzeichen des kommenden Antichristen, und Brudereck selbst vertritt offenkundig nicht das biblische Evangelium, sondern ein verfälschtes „Evangelium des Neuen Zeitalters“. Ihre esoterischen New-Age-Ansichten offenbart sie auf ihrer Webseite anläßlich ihres Romans „Chandani“ über einen darin vorkommenden Falken: „Ich persönlich habe den Falken auf meiner eigenen spirituellen Reise entdeckt. Seine edle Haltung und seine Gabe, Details genau zu sehen, faszinieren mich. Mystisch wird er "Vermittler aus der Anderswelt" genannt, der wie Christus menschlich nah und gottvoll heilig ist. Diese Idee beseelt mich.“
Mike Bischoff wirbt für die „kontemplative“ Frömmigkeit von Richard Foster und Renovare (114) und vertritt den postmodernen Relativismus im Bibelverständnis, eine „Theologie der offenen Systeme“: „Viele postmodernen Denker haben nun die Idee einer sogenannten ‚Metaerzählung’, also eines übergeordneten geschlossenen Rahmens abgelehnt. Dieser Gedanke kann Furcht und Unsicherheit auslösen, trifft aber meines Erachtens den Kern des biblischen Selbstverständnisses“ (115). In dem Buch finden wir auch Werbung für die „Micha-Initiative“, mit der die Weltweite Evangelische Allianz sich in ein völlig verkehrtes Bündnis mit den antichristlichen Vereinten Nationen begibt und sich im Sinne des liberalen „sozialen Evangeliums“ für „Gerechtigkeit in dieser Welt“ einsetzt (229-233).
Schwerwiegend ist, daß das von New- Age-Irrlehren durchsetzte Buch von Kester Brewin, Der Jesus-Faktor, von einigen Autoren ohne Einschränkung empfohlen wird (z. B. von Faix, Ehniß, Künkler, „Storch“, Sikinger). Lediglich Thomas Weißenborn setzt sich kritisch mit gewissen Lehren von McLaren und Brewin auseinander (162-167); er scheint ähnlich wie Mark Driscoll eher eine „gemäßigt-reformierte“ Fassung der Emerging Church zu vertreten (die allerdings aus bibeltreuer Sicht ebenfalls nicht akzeptabel ist).
Die Emerging-Church-Bewegung in der Schweiz
In der Schweiz wurde am 18./19. November 2006 der Emerging-Church- Sprecher Erwin R. McManus zu einem Jugendleiterkongreß newleaders.ch in die Schweiz eingeladen. Veranstalter waren der Bund Evangelischer Schweizer Jungscharen (BESJ), Young Leaders.ch, die Jugend der Schweizerischen Evangelischen Allianz, die Bewegung Plus, die Evangelischen Täufergemeinden und die Chrischona- Gemeinden CH.
Wenn man die bibeltreue Vergangenheit des Chrischonawerkes kennt, ist es erschreckend und traurig, daß die jetzige Führung des Werkes ganz offensichtlich das verführerische Gedankengut der Emerging-Church- Bewegung in vielem übernommen hat. Das ist aus der Tatsache ersichtlich, daß von der Chrischona Schweiz das von Irrlehren durchsetzte Buch von Rob Bell, Jesus unplugged, 2006 als Weihnachtsgabe an alle Prediger des Werkes versandt wurde. Auch in der Schweiz gilt, daß viele charismatische und evangelikale Gemeinden und Werke, besonders solche, die durch jüngere intellektuelle Leiter geführt werden, anfällig für die vordringenden emergenten Irrlehren sind, deren zerstörerisches Werk erst begonnen hat.
Einer der aktivsten Förderer der Emerging Church in der Schweiz, der ehemalige FEG-Prediger Reinhold Scharnowski, meint dazu auf seinem englischen Webtagebuch (Blog): „Die kleine Schweiz, die viele als zurückhaltend gegenüber Veränderungen und als traditionell beurteilen, hat in den letzten Jahren viele innovative Bewegungen und Ideen hervorgebracht. Sie ist sozusagen zum Testland geworden [bezüglich Akzeptanz der Emerging- Lehren, RE]“.
Scharnowski macht auf seinem Blog klar, daß er seinen „ererbten evangelikalen Glauben mit charismatischer Verzierung“ abgestreift habe, das „fundamentalistisch-evangelikale Kleid“ sei ihm zu eng geworden. Er baut an Netzwerken zur Gründung von „missionalen und inkarnatorischen“ Gemeinden und ist der europäische Leiter von DAWN (Discipling A Whole Nation), einem weltweiten Netzwerk zur Entwicklung evangelistischer Strategien und zur Transformation ganzer Nationen. In der Schweiz arbeitet DAWN unter dem Namen FOCUSUISSE. Die Zielsetzung besteht in der „evangelistischen Durchdringung der Schweiz und Anregung zur Gründung und zum Bau von Gemeinden, die für die postmoderne Gesellschaft relevant sind“. Nach über 20 Jahren als Prediger in Freikirchen baue er heute an einem Hauskirchen-Netzwerk in der Region Thun.
Scharnowski hat 2006 den „ersten Kongreß für Gemeinde-Innovation“ organisiert und durchgeführt „mit dem Ziel, missionaler und innovativer Gemeinde eine Plattform und einen Diskussionsrahmen zu geben“. Hauptreferent war der Emerging-Church- Sprecher Alan Hirsch (Australien). In seinem Webblog kommen viele der führenden Vertreter der EMC zur Sprache, u. a. Leonard Sweet, Brian McLaren und Andrew Jones. Als „wahren Augenöffner“ bezeichnet er ein Buch des katholischen Mystikers Anselm Grün. Mit Begeisterung berichtet er von Raniero Cantalamessa, den er anläßlich eines London-Besuches in der Kirche von Nicky Gumbel (Alpha- Kurs) predigen hörte. Der katholische Priester ist ein Leiter der katholischen charismatischen Erneuerung und Prediger des päpstlichen Haushaltes im Vatikan.
Aus der FEG Steffisburg (ehemalige Gemeinde von Pfr. Scharnowski) entstand die Jugendbewegung X-Stream. Seit Herbst 2007 werden gottesdienstähnliche Veranstaltungen im Emerging- Stil gehalten: „Sunday Plaza“. Diese finden in einem gemieteten Gebäude mit Restaurant und Bar statt. Bestandteile dieser „Gottesdienste“ sind Workshops (nach dem Muster von Hirsch und Frost), Art Gallery (Plattform für junge Künstler und für Kreativität), Bar / Lounge (immer geöffnet), Stilleraum (von Kerzen und rotem Licht erfüllter Raum mit Liegematten zur Meditation), im Nebenraum bietet ein Team prophetisches Gebet und Gebet für Heilung an, Game Corner (diverse Spiele, Playstation). Der letzte Teil ist das gemeinsame Plenum (ca. 30 min.) mit den Bestandteilen xporter (neue Gesichter werden porträtiert, Ferienfotos gezeigt, Erlebnisberichte weitergegeben) und Contemplatio (Konzentration auf Gott, stiller meditativer Abschluß z. B. mit einem Gedicht eines Mitarbeiters, mit Videoclips oder gemeinsam gesprochenem Segensgebet aus dem 5. Jahrhundert).
Eine zentrale Persönlichkeit von XStream ist Mike Bischoff. Laut seinem Blog war er als Studienleiter beim IGW tätig und ist auch weiterhin dort engagiert. 2005 war er am ersten Seminar in der Schweiz über „Emerging Church“ (IGW Basel) beteiligt. Seine Vorstellungen der Emerging- Spiritualität werden offensichtlich bei X-Stream umgesetzt. Das Netzwerk der Jugendarbeit verschiedener Schweizer Freikirchen nennt sich young- people.ch. Dazu gehören die FEG (Freie evangelische Gemeinden), Chrischona, VFMG (Vereinigung Freier Missions-Gemeinden), ETG (Evangelische Täufer-Gemeinden), Mennoniten, „inAktion“ Wiedenest, Youth Alliance (Schweizerische Evangelische Allianz). Auf dieser Internetseite werden diverse Emerging-Leiter und ihre Bücher weiterempfohlen. Die ISTLLeiterschulung, gegründet von dem Charismatiker Heinz Strupler, organisierte im September 2007 einen zweitägigen Kongreß mit Erwin McManus in einem Saal der Heilsarmee in Zürich. Über 250 vornehmlich junge Leiter (Jungpastoren) und Leiterinnen nahmen teil.
Insgesamt steht die Entwicklung der Emerging-Church-Bewegung im deutschsprachigen Raum erst am Anfang, aber es ist zu befürchten, daß ihr Einfluß rasch größer werden wird, nicht zuletzt weil auch bei uns in der Gemeindewachstumsbewegung und der Charismatischen Bewegung sowie den Großkirchen ein großes Potential von möglichen Interessenten für diesen falschen „Dritten Weg“ vorhanden ist.
5. Ein Einblick in das Lebensgefühl einer abgedrifteten Generation
Mehr als viele Analysen mag vielleicht das Bekenntnis eines jungen Mannes aus der deutschen Emerging-Church- Szene zeigen, was die jungen Anhänger dieser Strömung bewegt und wo sie innerlich stehen (halbfette Hervorhebungen von RE):
Unser Denken ist anders
Pluralismusist normal und nicht angstbesetzt. Traditionen werden radikal in Frage gestellt, nach ihrer Relevanz bewertet und aussortiert, was nicht paßt. Bibel, Kirche, Theologie, Wahrheit und Ethik gehören dazu. Alles ist relativ. Wahr ist nur, was ich erleben und anfassen kann. Es gibt viele Religionen, die ihren Platz in der Welt haben. Wir können zwar alles wissen, aber irgendwann hat Wissen keinen Reiz mehr. Dann beginnt die neue Suche nach dem, was relevant ist, nach Leben, Sinn, Erfüllung, Transzendenz, denn wir haben gerade keine Werte mehr. Wir wollen gute – zur Not auch alte – Werte zurückerobern und frisch leben.
Unser Lifestyle ist anders
Wir fühlen uns zugehörig, wenn etwas relevant ist. Verbindlichkeit gegenüber Institutionen und Ideologien ist vorbei. Greenpeace hat mehr Autorität als der Papst. Ökoaktivismus erscheint uns geistlicher und wichtiger als viele Gottesdienste. (…) Wir leben exzessiv und gleichzeitig bewusst: totale Party, Grenzerfahrungen und Müsli nach dem Joggen. Wir sind pragmatisch und sehnen uns gleichzeitig nach Erfüllung, die den Pragmatismus überwindet: Sinn, Ganzheitlichkeit, Klarheit, Überzeugungen. Pragmatismus kann nicht alles sein, aber klare Überzeugungen gibt's auch keine mehr. (…)
Unser Gottesbild ist anders
Wir haben keine Angst mehr. Wir brauchen nicht von einem negativen Gottesbild befreit zu werden. Gott ist für uns. Gott ist gut, positiv, manchmal harmlos. Wir sehen Gott als Partner und Gegenüber. Der Heilige Geist wird nicht mehr übersehen. Gott ist trinitarisch und damit voll multitaskingfähig. Er ist da, real, nah und fern.
Unser Selbstbild ist anders
Wir stehen im Mittelpunkt. Alle finden uns wichtig – zumindest als Konsumenten. Wir sind egoistisch - frech geht vor. Wir nehmen unser Schicksal selbst in die Hand. Wir sind selbstbewusst und wollen gesehen werden. Wir fühlen uns von Gott geliebt.
Unsere Weltsicht ist anders
Da draußen ist nicht die böse Welt - es ist einfach die Welt um uns herum. Wir sind gerne Teil dieser Welt und nicht von ihr getrennt. Wir gehören zur globalen Jugendkultur, sind zeitgeistkompatibel.
Unsere Art Bibel zu lesen ist anders
Sie ist die große Geschichte Gottes mit den Menschen. Sie legt mich aus - und weniger ich sie. Sie ist kein Steinbruch für theologische Akrobatiken und keine ethische Gebrauchsanweisung für das Leben.
Unsere Spiritualität ist anders
Wir wollen Spiritualität. In neuen Formen. Wir wollen unser Leben mit anderen gemeinsam leben und gleichzeitig unserer Individualität Ausdruck verleihen. Wir haben keine Berührungsängste gegenüber anderen geistlichen Traditionen. Wir integrieren Spiritualität von außerhalb des Christentums in Formen von Meditation, Sinnlichkeit, Ästhetik, Lifestyle.
Unsere Vorstellung von Kirche ist anders
Wir wollen Kirche gemeinsam gestalten, weiterentwickeln und relevant leben. Diese Kirche ist zeitgemäß, inkarnatorisch, missionarisch, in der Welt, flexibel, gabenorientiert, pragmatisch, ehrlich, ganzheitlich, sinnlich, gastfreundlich, spirituell, neoliturgisch, politisch, diakonisch. Sie braucht keine Hierarchie und auch keine Konfession.
Unsere Glaubensüberzeugungen sind anders
Wir glauben an die Schöpfung und die Evolution. Wir glauben, dass Menschen durch Jesus zu Gott kommen - und manche auch anders. Wir brauchen keine Hölle, um an den Himmel zu glauben. Und wir brauchen sie auch nicht, um Menschen für Jesus zu begeistern. Wir sind nicht mehr konfessionell. Wer glaubt, wird an seinem Herzen erkannt, nicht an seinem Dogma. Wir denken nicht in Konfessionen, sondern in Bewegungen und Netzwerken. Eine wissenschaftliche, apologetische, verwaltende Theologie ist uns suspekt und wir verzichten auf den Kampf um absolute Wahrheiten.
Wir sehen in diesen offenen Worten, daß hier der Abfall vom biblischen Glauben in einer Offenheit und Schärfe vollzogen wurde, die erschrecken läßt, die uns aber angesichts der vorrückenden Endzeit nicht verwundern darf. Solche verblendeten jungen Menschen sind nicht nur nicht wiedergeboren; sie haben sich von der einzigen Quelle der Wahrheit und des Heils abgewandt und sind in die heidnische Religiosität zurückgegangen. Sie schwimmen in dem mächtigen Sog mit, der in die Welteinheitsreligion der Hure Babylon führt. Und es steht zu fürchten, daß viele – nicht nur jüngere – Evangelikale ihnen in absehbarer Zukunft nachfolgen werden.
1 Johannes Reimer hat in früheren Jahren einige hilfreiche Bücher – auch in der ARFAufklärungsreihe des Lichtzeichen-Verlags – verfasst. Dies geschah allerdings vor seiner Hinwendung zum Gedankengut der Emerging Church und der Charismatik. Die ARF distanziert sich ausdrücklich von den neueren Positionen und Veröffentlichungen von Johannes Reimer (d. Red.).
Das Buch zum Thema:
Rudolf Ebertshäuser: Emerging Church. Aufbruch in ein neues Christsein?
CLKV Steffisburg 2008, 254 Seiten, 6,20 € (erhältlich auch beim MABO-Verlag)
Quelle: A.R.F, Zeitjournal 3/2008, S. 22-37
Textliche Aufbereitung: K. Ted Reischle